Page 17 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“



                                      Interview mit einem Betroffenen



      Manchmal genügt nicht nur ein ärztlicher Blick auf die Sucht. Jan Schmidt (Name geändert), 28-jähriger Mecklenburger,
      hat sich bereit erklärt, mit dem Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern über seine Suchterkrankung zu sprechen und uns
      so einen Perspektivwechsel zu ermöglichen. Er war insgesamt 14 Jahre abhängig und nach mehreren Therapieversu-
      chen ist Herr Schmidt jetzt seit einem Jahr cannabisfrei. Das Interview für das Ärzteblatt führte Wenke Burghardt und
      wurde aufgezeichnet.


      W.B.: Herr Schmidt, erst einmal  „Hätte ich gewusst,                          Ahnung von psychotischen Zu-


      ses Gespräch bereit erklärt ha- dass es mich mein                             ständen. Ich habe so leichte Ar-
      vielen Dank, dass Sie sich für die-
                                                                                    ten von Halluzinationen bekom-
      ben. Sie sind jetzt 28 Jahre alt.                                             men. Also so, wie ich das letzt-
      Wie alt waren Sie, als Sie mit   Leben lang triezt,                           endlich kenne von Drogenversu-
      dem Konsum begannen und hat-                                                  chen, kurz bevor es so richtig
      ten Sie vorher schon Kontakt zu   hätte ich es anders                         losgeht. So in die Richtung hat
      anderen Drogen?                                                               sich das angefühlt.
      J.S.: Also, als  ich  14 Jahre alt      gemacht!“
      war, habe ich bei meinem Vater                                                Und wie hat der Konsum Ihren
      gelebt, und bin in der Zeit dann      Jan Schmidt (Name geändert)             Alltag beeinflusst? Ihre Arbeit? Ihr
      auch in einen Freundeskreis ge-                                               Sozialleben?
      kommen, wo konsumiert wurde. Mein Vater selbst war auch   Vielleicht mal den Einfluss auf die Arbeit. Besonders nachmit-
      THC- und alkoholabhängig. Als ich angefangen habe zu rau-  tags konnte ich schlecht arbeiten, ich habe nur noch ans Kiffen
      chen, kam das Kiffen ziemlich miteinander. Also ich hatte schon   gedacht. Ich habe mir jetzt in diesem Beruf sehr viel Mühe ge-
      mal irgendwie Bier probiert. Mit den Mitschülern kam der ge-  geben. Aber es gab eben auch Tage, wenn ich dann von zu Hau-
      meinsame Konsum. Später dann auch Härteres. Zwischenzeit-  se gearbeitet habe, wo ich dann doch schon mittags geraucht
      lich sehr exzessiv eine Phase mit Ecstasy zum Beispiel.   habe und dann natürlich Sachen vergessen hab.
                                                           Also mein Gedächtnis hat sehr stark darunter gelitten. Das ist
      Welche Mengen haben Sie konsumiert?                  schon wieder deutlich besser geworden, jetzt über das eine
      Das hat sich ja geändert mit der Zeit. Zu der Höchstzeit, als ich   Jahr (A.d.R.: der Abstinenz). Sozial bin ich sowieso jemand,
      so 17-18 war, da habe ich eben auch gedealt. Hatte dement-  der sich eher zurückzieht und das ist dadurch einfach noch
      sprechend immer viel zur Hand und da waren das zwischen   deutlich intensiver geworden.
      fünf und zehn Gramm täglich. Zuletzt, bevor ich aufgehört
      hab’, waren es so zwei bis drei Gramm täglich.       Würden Sie sagen, dass Sie der Konsum eher isoliert hat von an-
                                                           deren Personen oder hat es Sie eher dazu gebracht, sich nach
      Und welche Auswirkungen hatte das auf Ihren Alltag?   außen doch zu öffnen?
      Bei mir wurde vor kurzem ADHS diagnostiziert. Dementspre-  So ein bisschen von beidem. Also, am Anfang hat er mich
      chend würde ich behaupten, also teilweise zur Selbstmedika-  mehr dazu gebracht, mich zu öffnen, besonders in meiner Ju-
      tion. Es hat mich einfach bisschen beruhigt, weil es mich hat   gend. Da habe ich dadurch Anschluss gefunden an Freundes-
      ein bisschen abschalten lassen. Am Anfang war es natürlich   kreise und dann auch sehr gute Freundschaften geschlossen.
      auch sehr, sehr starker Rausch, der dann aber immer weniger   Die haben eben letztendlich auch auf dem Konsum aufge-
      wurde und eigentlich ging es mehr um Pegel halten und abzu-  baut. Am Ende haben alle darunter so sehr gelitten, dass die
      schalten. Zuletzt, in der Zeit, wo ich eben auch gearbeitet hab,   meisten dieser Freundschaften heute nicht mehr bestehen.
      war es eben zum Runterkommen.                        Weil letztendlich, wenn alle Beteiligten von Freundeskreisen
                                                           mit Sucht zu kämpfen haben, muss man irgendwann lernen,
      Hatten Sie auch körperliche Symptome?                dass man Abstand nehmen muss zu Mitsüchtigen. Das überle-
      Damals vor 10- 12 Jahren, da hatte ich glaub ich schon so eine   ben die Freundeskreise nur sehr schwer.


      AUSGABE 11/2025 35. JAHRGANG                                                                          Seite 373
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