Page 14 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
Macht Cannabis dumm?
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Der Konsum von Cannabis und auch der Anbau zum Eigenge- ■ Häufige Arbeitslosigkeit: Anstieg des Risikos um 9 % (OR
brauch ist für Erwachsene in Deutschland legalisiert worden. 1,50; 95 %-KI 1,15-1,96).
Das Internet ist voll mit Möglichkeiten online an Privatrezepte
zu gelangen, meist reicht es einen Fragebogen auszufüllen. Eine In Subgruppenanalysen war häufiger Cannabiskonsum und ein
Alterskontrolle erfolgt so gut wie nicht. Cannabis sei sozial för- Beginn vor dem 16. Lebensjahr mit einem geringeren Bildungssta-
dernd, die Strafbewährung überflüssig, da es gesundheitlich tus assoziiert und es zeigte sich eine Dosis-Wirkung-Beziehung.
weitestgehend unbedenklich sei. Aber stimmt das auch, beson- Die Studie zeigte konsistente Zusammenhänge, lässt aber, trotz
ders für die Langzeitverläufe? der großen Stichprobe und plausiblen Dosis-Wirkung Bezie-
In einer großen Metaanalyse von 63 Studien mit über 400.000 hung, weiterhin keine streng kausalen Rückschlüsse zu. Die
Teilnehmern wurde festgestellt, dass Cannabiskonsum im Ju- meisten bewerteten Untersuchungen waren Beobachtungsstu-
gend- und jungen Erwachsenenalter signifikant mit schlechte- dien und nicht kontrolliert, gerade in der Cannabisforschung
ren akademischen Leistungen zusammenhängt (Chan O, Daudi sind zahlreiche Störvariablen jedoch zu berücksichtigen. Zu
A, Ji D et al. Cannabis Use During Adolescence and Young Adult- bedenken ist auch eine „reverse Kausalität“, das heißt schlechte
hood and Academic Achievement – A Systematic Review and schulische Leistungen könnten auch zu mehr Konsum führen.
Meta-Analysis. JAMA Pediatr. 2024;178(12):1280-9). Je häufiger Die Studie liefert jedoch deutliche Hinweise dafür, dass Canna-
und ausgeprägter der Konsum war, desto stärker war dieser biskonsum im Jugendalter kein neutraler Faktor für die Bil-
Effekt. So konnte gezeigt werden, dass der Cannabiskonsum dungslaufbahn ist.
mit moderater Sicherheit und Qualität der Evidenz mit folgen- Ungünstige Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten wur-
den negativen Bildungs- und Arbeitsmarktauswirkungen ver- den auch in einer früheren Analyse der „Dunedin Longitudinal
bunden war: Studie“ gefunden. Sie begleitete 1037 Einwohner der zweitgröß-
■ Schlechtere Schulnoten: Die Wahrscheinlichkeit, gute Noten ten Stadt der Südinsel Neuseelands seit der Geburt. Hierzu
zu erreichen, war um 39 % reduziert (Odds-Ratio = OR 0,61; wurden die Daten derjenigen Teilnehmer analysiert, die im Ju-
95%-Konfidenzintervall = 95 %-KI 0,52-0,71. gendalter mit dem Cannabiskonsum begonnen hatten. Diese
■ Höhere Schulabbruchraten: Die Wahrscheinlichkeit, die hatten später einen um 5,5 Punkte geringeren Intelligenzquoti-
Schule abzubrechen, war mehr als doppelt so hoch (OR 2,31 enten mit Defiziten in Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Im Al-
1 9; 95 %-KI 1,73-2,78). ter von 45 Jahren war bei dem Cannabiskonsumenten in einer
■ Geringerer Wahrscheinlichkeit des Schulabschlusses: Die Magnetresonanztomografie eine Hippocampus-Atrophie beob-
Chance, die Highschool erfolgreich abzuschließen, war um achtet worden (Meier MH, Caspi A, Knodt A et al., Long-Term
50 % vermindert (OR 0,50; 95 %-KI 0,33-0,76). Cannabis Use and Cognitive Reserves an Hippocampal Volume
■ Seltener Beginn eines Studiums: Die Wahrscheinlichkeit, in Midlife. Am J Psychiatry 2022; 179(5) 362-9)
sich an einer Universität einzuschreiben, war um 28 % gerin- Generell steigt das Risiko eine Psychose zu entwickeln mit dem
ger (OR 0,72; 95 %-KI 0,60-0,87) THC-Gehalt und der Konsumhäufigkeit (Eichorn D, Schaper A,
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