Page 16 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
P. 16
SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
spielplätzen ist auf Grund der Infrastruktur in Großstädten flä- Online-Handel muss unterbunden werden und das Medizinal-
chendeckend nicht einzuhalten und schon gar nicht kontrollier- Cannabis gehört in das Betäubungsmittelgesetz, wie es jetzt
bar. Ein artefizieller Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit von Seiten der Bundesgesundheitsministerin bzw. dem zustän-
Konsumenten ist nicht nur zu befürchten, sondern findet seit digen Ministerium auch vorgesehen ist. Generell gehört aus
der Legalisierung regelhaft statt. Oben zitierte Studien betrach- medizinischer Sicht die Legalisierung von Cannabis erneut auf
tend, nehmen wir so ein beträchtliches gesundheitliches Risiko den politischen Prüfstand.
der nächsten Generation billigend in Kauf.
J. Buchmann,
Es kann vielleicht nicht endgültig gesagt werden, dass Canna- FA f. Neurologie und Psychiatrie,
bis „dumm macht“, es lässt sich aber nicht leugnen: Cannabis FA f. Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie
macht sicher nicht schlau - und birgt Risiken für Bildung, beruf- S. Büchner,
liche Perspektiven und die Entwicklung einer Demenz. Der FA f. Pädiatrie
OLG Frankfurt/M. fordert persönliche
Untersuchung vor Cannabis-Behandlung
Urteil vom 06.03.2025 – 6 U 74/24
Zum Sachverhalt: Die Beklagte betrieb eine Internetseite, auf die Beklagte gegen § 10 Abs. 1 HWG (das sog. „Laienwerbever-
der sie ärztliche Behandlungen mit medizinischem Cannabis bot“) verstoßen. Die Bezeichnung „Cannabis zu medizinischen
vermittelte. Für die Vermittlung erhielt die Beklagte eine Vergü- Zwecken“ erfülle den Funktionsarzneimittelbegriff des § 2 Abs.
tung in Höhe von 60 bis 79 % der privatärztlichen Honorarfor- 1 Arzneimittelgesetz (AMG) i.V.m. § 2 Nr. 1 Medizinal-Cannabis-
derung. Das LG Frankfurt am Main hat der Klage der Zentrale gesetz (MedCanG).
zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs u.a. wegen Verstö- Anmerkung: Das Urteil des OLG Frankfurt/Main unterstreicht,
2
ßen gegen § 31 MBO-Ä sowie § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) dass auch Nichtärzte als Beteiligte des Rechtsbruchs der han-
teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung der delnden Ärzte wettbewerbsrechtlich verantwortlich sein kön-
angegriffenen Äußerungen verurteilt. nen. Allerdings verstößt auch nach der Rechtsprechung des
Zur Entscheidung: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Bundesgerichtshofs nicht jede am ärztlichen Honorar ange-
hat die Berufungen der Parteien als teilweise begründet beur- knüpfte Vermittlungsgebühr gegen das Zuweisungsverbot (sie-
teilt. Das Vergütungsmodell verstoße gegen das Verbot der Pa- he BGH vom 01.12.2010 – I ZR 55/08). Dies gilt jedenfalls dann
tientenzuweisung gegen Entgelt. Der Anteil von 60 bis 79 % des nicht, wenn eine angemessene Vergütung der damit verbunde-
ärztlichen Bruttohonorars sei keine äquivalente Gegenleistung nen Serviceleistungen vorliegt und damit kein Entgelt für die
für die von der Beklagten geschuldeten Serviceleistung. Die Be- Patientenvermittlung selbst gezahlt wird. Das Urteil belegt zu-
klagte sei daher als Anstifterin bzw. Gehilfin für Verstöße ihrer dem, dass die Bewerbung von medizinischem Cannabis weiter-
Kooperationsärzte gegen § 31 MBO-Ä (mit-)verantwortlich. hin nur in engen Grenzen zulässig ist. Bereits die Vermittlung
Die Beklagte verstoße zudem gegen das Verbot der Werbung von Cannabis kann ein erlaubnispflichtiges Handeln nach § 4
für ärztliche Fernbehandlungen nach § 9 S. 1 HWG soweit sug- Abs. 1 MedCanG darstellen. Zur Frage der Anwendbarkeit des §
geriert werde, das ärztliche Erstgespräch könne auch digital 10 HWG bei Werbung für medizinisches Cannabis wurde die Re-
erfolgen. Die Behandlung mit medizinischem Cannabis erforde- vision gegen das Urteil zugelassen.
re eine persönliche ärztliche Erstuntersuchung. Zudem habe
1
Rechtsanwalt Dr. iur. Manfred Ruhberg
1 Diese zum damaligen Recht erfolgte Feststellung soll entsprechend der bereits für den Rechtsanwälte M&P Dr. Matzen & Partner mbB
GKV-Bereich geltenden Regelung nach § 11 Abs. 2 der Anlage 31c des Bundesmantel-
vertrags-Ärzte durch Anpassung des § 3 Abs. 2 MedCanG gemäß Kabinettsbeschluss Neuer Wall 55, 20354 Hamburg
der Bundesregierung vom 08.10.2025 zukünftig allgemeingültig werden.
2 Vgl. dazu auch Scholz, GesR 6/2025, 367 f. E-Mail: ruhberg@matzen-partner.de
Seite 372 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN

