Page 12 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
Infobox 3: Screeningtest für Jugendliche stationären Suchthilfe kam es im selben
Zeitraum zu einer Verzehnfachung (26). Be-
RAFFT Drogen (29) ratung und Behandlung suchende Cannabis-
■ Nimmst du manchmal illegale Drogen, weil du dich entspannen oder du dich bes- konsumierende sind mit durchschnittlich 26
ser fühlen möchtest? bis 30 Jahren die jüngsten Hilfesuchenden
■ Nimmst du manchmal illegale Drogen, weil du dich dazugehörig fühlen möchtest? innerhalb der Suchtkrankenhilfe (26). Bei
■ Nimmt jemand aus deinem Freundeskreis regelmäßig (mindestens einmal die Wo- den 15- bis 19-jährigen Hilfesuchenden ge-
che) illegale Drogen?
■ Nimmst du manchmal illegale Drogen, wenn du allein bist? ben drei Viertel Cannabis als Primärdroge an
■ Hat jemand aus deinem Familienkreis ein Problem mit illegalen Drogen? und in der Altersgruppe unter 15 Jahre
■ Hattest du schon einmal ernsthaft Schwierigkeiten wegen deines Konsums illega- knapp 90 Prozent. Unter den Betreuten sind
ler Drogen (z. B. schlechte Zensuren, Ärger mit dem Gesetz oder den Eltern)? etwa viermal so viele Männer wie Frauen,
„RAFFT“ ist als Akronym aus relevanten Konsumkontexten gebildet: Relax, Alo- wobei sich der Frauenanteil seit 10 Jahren
ne, Friends, Family, Trouble. Bei 2 und mehr Zustimmungen liegen bei 12- bis zusehends erhöht hat.
18-Jährigen Hinweise auf eine mögliche Entwicklung einer substanzbezogenen Cannabisabhängigkeit und Entzugssyndro-
Störung vor. Analog zu (illegalen) Drogen kann Alkohol- und Tabakkonsum abge-
fragt werden. me lassen sich häufig ambulant behandeln
(Suchtberatungsstellen, Sucht ambulanzen
und Schwerpunktpraxen). Eine qualifizierte
stationäre Entzugsbehandlung in Fachabtei-
(Infobox 3). Weiteren Aufschluss über das Vorliegen einer can- lungen psychiatrischer und kinder- und jugendpsychiatri-
nabisbezogenen Störung im Jugend- und jungen Erwachse- scher Kliniken wird im Fall signifikanter Folgestörungen, Ko-
nenalter geben charakteristische Hinweise (Infobox 4). morbidität und hoher Rückfallgefährdung durchgeführt. Mo-
tivationale Interventionen, kognitive Verhaltenstherapie und
6. Behandlungs- und Präventionsansätze Kontingenzmanagement sowie Familientherapie bei Jugend-
lichen sind evidenzbasierte psychotherapeutische Verfahren,
In den ambulanten und stationären Einrichtungen der Sucht- die den Cannabiskonsum und assoziierte Probleme reduzie-
hilfe (ambulante Suchthilfeeinrichtungen und stationäre Re- ren (27). Derzeit gibt es keine zugelassenen Pharmakothera-
habilitationseinrichtungen) sind cannabisbezogene Störun- pien zur Behandlung der Cannabisabhängigkeit. Eine neue
gen (nach alkoholbezogenen Störungen) der zweithäufigste AWMF-S3-Behandlungsleitlinie mit Empfehlungen zur psy-
Anlass für einen Zugang. Seit dem Jahr 2000 hat sich der An- chosozialen und pharmakologischen Behandlung cannabis-
teil der Betreuungen von Klienten mit cannabisbezogenen bezogener Störungen sollte im Sommer 2025 veröffentlicht
Störungen in der ambulanten Suchthilfe verdreifacht. In der werden.
Die Betreuungsdauer in ambulanter Sucht-
hilfe beträgt im Mittel 6,2 Monate, stationäre
Behandlungen dauern im Mittel 3,5 Monate
Infobox 4: Hinweise schädlichen Cannabisgebrauchs (26). In Therapiestudien sind zwischen 10
im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (30) und 50 Prozent der Teilnehmenden zu Thera-
pieende abstinent. Etwa die Hälfte dieser
Leistungseinbußen in Schul- und Berufsausbildung (Fehltage), Konzentrations-
schwäche und Unruhezustände, Veränderung von Freizeitinteressen, veränderte Patient:innen wird innerhalb eines Jahres
Muster in der Beziehungsaufnahme und Gestaltung bzw. Rückzug aus sozialen Kon- nach Behandlungsbeendigung rückfällig (8).
takten (auch im Elternhaus), Stimmungsschwankungen und Störungen des Sozial- Einen Überblick zur Cannabisprävention in
verhaltens mit Impulsdurchbrüchen, Aggressivität, Affektlabilität, Auftreten von Deutschland (Fachinformationen, Angebote,
substanzinduzierten psychopathologischen Syndromen, Anschluss an Gleichaltrige Links) gibt die Bundeszentrale für gesund-
mit schädlichem Gebrauch, Auffinden von Cannabis- und Tabakprodukten (Harze, heitliche Aufklärung (https://cannabisp-
Pflanzen, Stecklinge, Samen etc.) sowie Applikationsutensilien (Zigarettenpapier,
Bong etc.), Hinweise auf Verwahrlosung, Vernachlässigung der Körperhygiene, Hin- raevention.de). Substanzspezifische Pro-
weise auf Dissozialität und Beschaffungskriminalität, schädlicher Substanzgebrauch gramme für den Einsatz in Schulen sind z. B.
der Eltern und Peers. „Cannabis – Quo vadis“ (www.villa-schoepf-
lin.de/cannabis-quo-vadis.html) und der
„Grüne Koffer“ (https://www.starkstattbreit.
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