Page 18 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
Sie haben zu Beginn Ihrer Suchterfahrung bei Ihrem Vater ge-
wohnt. Hat er das in irgendeiner Weise kommentiert?
Mein Vater ist da sehr offen mit seinem Konsum, aber nicht mit
seiner Sucht gewesen, was mich stark beeinflusst hat. Es war
eher so, dass er die Einstellung hatte „ja, mir schadet es nicht“
und ich hatte selbst ja auch viele Freunde, die alle auch konsu-
mieren. Aber er ging nicht sehr offen damit um, dass er eben
süchtig ist. Was ich mir jetzt im Nachhinein vielleicht ge-
wünscht hätte. Heute ist er sehr froh für mich, dass ich es
geschafft habe.
Und hat Ihre Mutter sich dazu geäußert?
Meine Mutter hat immer versucht mich zu unterstützen in Rich-
tung Therapie zu gehen und Entgiftung. Damals kamen ja eben Symbolfoto
auch Probleme mit dem Gesetz dazu, da ich in der Jugend ja
auch gedealt habe. Retrospektiv betrachtet: Hätte eine frühere Intervention außer-
halb der Familie, auch schon mit 18 Jahren, Sie eher dazu bewo-
Konnten Sie diese Unterstützung als Jugendlicher annehmen? gen die Therapie ernsthaft zu verfolgen?
Nicht unbedingt. Der erste Therapieversuch, da war ich gerade Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, wenn ich von Anfang
18, da bin ich hauptsächlich hingegangen, um andere Men- an, also bevor ich den Konsum begonnen habe, ein besseres
schen (Mutter/Justiz) ruhig zu stellen. Hinterher hatte ich wie- Verständnis davon gehabt hätte, was für Folgen eine Sucht auf
der Lust zu kiffen. lange Sicht hat. Vielleicht wäre ich dann vorsichtiger rangegan-
gen. Ich glaube präventiv – nicht für die Gefahr von Drogen
War Ihnen da schon klar, dass es ein Suchtproblem gibt? Oder selbst – sondern einfach für die Sucht an sich.
gab es da noch einen „Coolness-Faktor“?
Das war mir schon klar, aber ich dachte es ist nicht so schlimm, Was könnten wir Ärzte dafür tun oder wo hätten Sie sich ge-
ich kann ja aufhören. Kurz war schon die volle Realisierung da, wünscht, dass ein Arzt mal sagt „Pass auf“ und eine Intervention
wie schlimm es eigentlich schon ist, aber das hat sich dann wie- einleitet?
der verflüchtigt. Hmm, schwierig. Ich glaube schon, es hilft, öfter zu hören, dass
Sucht ein Thema ist, dass man was tun kann, dass es besser
Was führte dann zur langen Therapie in diesem Jahr? werden kann ohne Konsum. Aber am Ende muss die Motivation
Also ich hatte vor vier Jahren noch einen Versuch. Das war we- von sich aus kommen, das gelingt den meisten erst, wenn sie so
gen Corona schwierig. Damals ging es mir wegen Depressionen richtig darunter leiden.
nicht gut. Aber auch ohne Konsum wurde es letztlich nicht bes-
ser, so dass ich dann wieder schnell anfing. Und dann ist mein Sie haben gesagt, Sie hätten sich als junger Mensch gewünscht,
Mitbewohner an seinem Drogenkonsum verstorben. Bei dem dass jemand Sie über das Suchtpotenzial aufklärt bzw. was die
waren es Benzodiazepine und Schmerzmittel. Dann war der Folgen einer Sucht sind. Was könnten wir als Ärzte, aber auch die
Wunsch da, endlich aufzuhören. Das hinzukriegen. Das hat Gesellschaft, da konkret für Maßnahmen ableiten? Meinen Sie,
dann aber noch zwei Jahre gedauert, dass ich mich überwun- man sollte mehr Präventionsprogramme schon in der Schule
den habe. starten oder erreicht man die Leute damit nicht?
Was ich in meiner Schullaufbahn und im Bekanntenkreis mitbe-
Und als der Entschluss feststand, war es leicht einen Therapie- kommen habe, dass der Konsum steigt. Ja, ich glaube präven-
platz zu bekommen? tiv, über Sucht aufzuklären, ist sinnvoll. Nicht über die spezielle
Also die Organisation an sich war leicht, aber die Wartezeit war Droge, sondern über die Sucht.
lang. Abgegeben habe ich den Antrag letzten September, die
Bestätigung kam einen Monat später, die Therapie begann aber Was macht die Sucht für Sie problematisch?
erst im Januar. Rund vier Monate später. Je weiter man in die Sucht kommt, um so vereinnahmender ist
das Ganze. Es dreht sich zwar nicht jeder Gedanke um das
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