Page 11 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
ginn im Jugendalter sind die kognitiven Einbußen auch nach einer Selbstmedikation. Die Rauscheffekte (Entspannung, Eu-
vierwöchiger Abstinenz noch nachweisbar (18, 19). Die Befun- phorisierung, Angstlösung) tragen zur raschen Steigerung des
de zu den ungünstigen Einwirkungen auf die Neuromodulati- Wohlbefindens bei und begünstigen den Übergang zu regel-
on, insbesondere des pubertären Gehirns, mehren sich seit mäßigen Konsumformen.
einer Dekade. Experimentelle Studien weisen auf Störungen
der Myelinisierung infolge epigenetischer Effekte der Canna- Vice versa begünstigt regelmäßiger Cannabiskonsum das Auf-
binoide hin (20). Intelligenzeinbußen durch Cannabiskonsum treten von depressiven Störungen (ICD-10: F3x.x). In Metaana-
um bis zu 8 IQ-Punkte werden in prospektiven Studien am lysen stellt sich eine um das 1,3- bis 1,6-fache gesteigerte Er-
Übergang zum Erwachsenenalter vor allem bei den in Puber- krankungswahrscheinlichkeit gegenüber cannabisabstinen-
tät und früher Adoleszenz regelmäßig konsumierenden Pro- ten Populationen dar (1,4- bis 2,5-fach für bipolare Störun-
banden gefunden (21). gen). Personen mit einer Cannabisabhängigkeit weisen in
In der Untersuchung mithilfe bildgebender Verfahren (MRI) epidemiologischen Studien ein 2,5- bis 6-fach erhöhtes Risiko
weisen in Pubertät und Adoleszenz konsumierende Jugendli- für Angststörungen (ICD-10: F41.x) und insbesondere für die
che im Alter von 19 Jahren cannabisbedingte Ausdünnungen Panikstörung (ICD-10: F41.0) auf (2).
im präfrontalen Kortex (in Abhängigkeit vom Ausmaß des
Cannabiskonsums) in einer Größenordnung von 24–38 Pro- 5. Diagnostik
zent auf (22) (Abb. 3). Für axonale Faserbahnen stellen sich die
teilweise hochgradigen Degenerationen ebenfalls in Abhän- Für die Diagnostik der cannabisbezogenen Störungen ist die
gigkeit vom Einstiegsalter und Ausmaß des regelmäßigen International Classification of Diseases (ICD-10) wesentlich.
Cannabisgebrauchs dar (23). Selbstauskünfte der Patientinnen und Patienten über den
Substanzkonsum sind bei Vertrauen in die untersuchende
Soziale Folgen Person meistens zuverlässig zu erhalten. Sie können durch
Intensiv cannabiskonsumierende Jugendliche brechen Auskünfte weiterer Bezugspersonen (Eltern, Partner) ergänzt
häufiger die Schule ab und weisen ungünstigere Bildungsab- werden. Zur Erhebung der Drogenanamnese eignen sich
schlüsse als nichtkonsumierende Gleichaltrige auf. Sie verur- strukturierte Verfahren (30). Eine toxikologische Urinuntersu-
sachen über die Lebensspanne in der gesetzlichen Kranken- chung gehört zur Standarddiagnostik. Ein hilfreicher Scree-
versicherung Kosten durch Krankenhausaufenthalte, ambu- ningtest für die Anwendung bei Jugendlichen ist der für 12-
lante Behandlungen, Medikamentenanwendungen etc., die in bis 18-Jährige normierte RAFFT („Relax, Alone, Friends, Fami-
etwa mit den Pro-Kopf-Kosten durch Tabakkonsum vergleich- ly, Trouble“), der Hinweise auf riskante Konsummuster gibt
bar sind (24).
Konsum in der Schwangerschaft
Bei Konsum in der Schwangerschaft sind Frühgeburten, Präe- ANZEIGE
klampsie und Entwicklungsstörungen des Kindes evident. Im
Alter von 10 bis 12 Jahren weisen die Kinder gehäuft erhöhte
Stressanfälligkeit, das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperak-
tivitätssyndrom (ADHS) sowie eine geringere kognitive Leis-
tungsfähigkeit auf (25).
Ronald Klopsch
Komorbide psychische Störungen Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Komorbide psychische Störungen werden bei 50 – 90 Prozent
der cannabisabhängigen Personen beobachtet. Jugendliche Ihre Rechtsan waltskanzlei in allen arzt- und
praxisrechtlichen Angelegenheiten, u. a.:
mit Störungen der Identitätsentwicklung (ICD-10: F93.8), Stö-
rungen des Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD-10: F91, Vertragsarztrecht Zulassungsverfahren
Vertragsgestaltung
Prüfverfahren
F92), Persönlichkeitsstörungen (ICD-10: F60.x, F61.x), post- Honorarstreitigkeiten Haftungsrecht
traumatischen Belastungsstörungen (ICD-10: F43.1) oder hy- Thomas-Mann-Str. 12 Telefon: 0381 4443580 www.ra-klopsch.de
perkinetischen Störungen/ADHS (ICD-10: F90.x) verwenden 18055 Rostock Telefax: 0381 44435819 info@ra-klopsch.de
Cannabis häufig zur Affekt- und Impulsregulierung im Sinne
AUSGABE 11/2025 35. JAHRGANG Seite 367

