Page 27 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“
■ riskanter Alkoholkonsum: >24 g reiner Alkohol/Tag bei Kongress 2005 (Braun M, C et al. 2008)). Ausgegeben wurden
Männern, >12 g reiner Alkohol/Tag bei Frauen 1.800 Fragebögen, Rücklaufquote 52 %. Einen erhöhten AU-
■ akute Intoxikation definiert als vorübergehendes alko- DIT-C-Wert (damaliger cut-off-Wert >= 3) wiesen 67 % der Psy-
holinduziertes Zustandsbild mit Störungen des Bewusst- chiater, Neurologen, Nervenärzte und Psychotherapeuten
seins, der kognitiven Funktionen, der Wahrnehmung, des auf. Die Autoren schlussfolgerten, dass etwa 40 % der Ärzte
Affektes, des Verhaltens oder anderer psychophysiologi- vermutlich einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen wür-
sche Funktionen den. Die erste repräsentative Studie zum Alkoholkonsum bei
■ schädlicher Alkoholgebrauch: Nachweisliche Folgeschädi- Klinikärzten in Deutschland wurde 2008 veröffentlicht (Rosta
gung der psychischen und/oder körperlichen Gesundheit 2008), berichtet wurde auf der Grundlage einer anonymen
■ Alkoholabhängigkeitssyndrom: Zutreffen von mindestens postalischen Umfrage unter den Ärzten ein riskanter Alkohol-
3 der folgenden Kriterien: konsum (AUDIT-C cut-off-Wert >=5) bei 19,8 % und binge drin-
1. Starkes Verlangen oder Zwang, Alkohol zu konsumieren king (>= 60 g Alkohol/Tag bei einer Gelegenheit) bei 53 % der
(craving) Befragten. In dieser Untersuchung schienen Ärzte der Fach-
2. Schwierigkeiten, die Einnahme zu kontrollieren richtungen Urologie (34 % riskanter Alkoholkonsum) und An-
3. Körperliches Entzugssyndrom bei Reduktion oder Ab- ästhesie (24,8 % riskanter Alkoholkonsum) besonders gefähr-
setzen det zu sein, gefolgt von Radiologen (24,7 % riskanter Alkohol-
4. Toleranzentwicklung konsum) und Chirurgen (23,8 % riskanter Alkoholkonsum).
5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen Psychiater wiesen mit 7 % die geringste Rate an riskantem
6. Fortdauernder Alkoholgebrauch trotz schädlicher Folgen Alkoholkonsum auf. In einer aktuellen retrospektiven Unter-
■ Alkoholentzugssyndrom: Symptomenkomplex von unter- suchung der Behandlungsdaten von Ärztinnen und Ärzten mit
schiedlicher Zusammensetzung und wechselndem Schwe- substanzgebundenen Störungen beschrieben Wieting, Ham-
regrad bei relativen oder absoluten Entzug von Alkohol, pel et al. 2025 (s.a. Dt. Ärzteblatt 23.9.25, A1198), dass die
typischerweise Zittern, Unruhe, Schwitzen, Schlafstörung häufigsten Fachrichtungen Allgemeinmedizin (19,5 %) vor
und Kreislaufprobleme, Komplikationen durch Krampfan- Zahnmedizin (13,2 %) und Innere Medizin (12,9 %) waren. Bei
fälle oder ein Delir den substanzinduzierten Störungen wiesen 79,8 % als Haupt-
■ Rauschtrinken („bringe drinking“): Konsum von mindes- oder Nebendiagnose eine Alkoholabhängigkeit auf (ICD-10:
tens 5 Standarddrinks pro Trinkgelegenheit. F10.2), gefolgt von 24,6 % mit einer Abhängigkeit von Sedati-
Eine niederländische registerbasierte Studie von 2011 – 2019 va/Hypnotika (ICD-10: F13.2) und 13,0 % mit einer Opioidab-
zeigte, dass der diagnostizierte Substanzmissbrauch von Al- hängigkeit (ICD-10: F11.2). Eine Auflistung der Studien der
kohol unter Ärzten bei 0,3 % lag, im Vergleich mit 0,5 % einer letzten zehn Jahre dazu findet sich in Tabelle 2.
hochgebildeten Vergleichsgruppe. Allerdings hatten Ärzte we- Durch den relativ leichten Zugang z. B. zu Propofol, Benzodi-
niger starke / exzessive Trinkmuster (Geuijen, Schellekens et azepinen, Ketamin und Opioiden scheint der Anteil von medi-
al. 2023). In der ersten größeren Fragebogenerhebung in kamentenabhängigen Ärzten höher zu sein als in der Allge-
Deutschland untersuchten Braun und Mitarbeiter den Subs- meinbevölkerung. In der bereits zitierten Untersuchung von
tanzkonsum auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Braun und Mitarbeitern stellte sich heraus das etwa 9 % der
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN- Ärzte zum Zeitpunkt der Untersuchung Antidepressiva und/
Tab.1 AUDIT-C Fragebogen
Punkte 0 1 2 3 4
Wie oft trinken Sie Alkohol? Nie Etwa 1x pro 2-4 x pro 2-3x pro >4x pro Wo-
Monat Monat Woche che
Wenn Sie an einem Tag Alkohol trinken, 1 oder 2 3 oder 4 5 oder 6 7 oder 8 10 oder mehr
wie viele alkoholhaltige Getränke trinken
Sie dann typischerweise?
Wie oft haben Sie im letzten Jahr an einem Tag 6 Nie Seltener als 1x 1x pro Monat 1x pro Täglich oder
oder mehr alkoholische Getränke getrunken? pro Monat Woche fast täglich
Ergebnis ist die Summe der erzielten Punkte. Als geeigneter cut-off-Wert für den AUDIT-C gelten aktuell >= 4 Punkte bei Frauen und >= 5
Punkte bei Männern. Ein Glas Alkohol entspricht 0,33 l Bier, 0,25 l Wein oder Sekt oder 0,02 l Spirituosen.
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