Page 9 - Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern, November-Ausgabe 2025
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SCHWERPUNKTTHEMA „SUCHT UND DROGEN“




      zent beschränkt. Straffreier Besitz zum Eigengebrauch (Mit-  gen für das Reproduktionssystem, Tumorerkrankungen und
      führen in der Öffentlichkeit) ist Erwachsenen bis zu 25 g ge-  Wirkungen auf das Immunsystem (8). Ein erhöhtes Risiko für
      stattet. Es gelten Strafvorschriften für darüber hinausgehen-  cannabisassoziierte schwere Verkehrsunfälle kann die Ge-
      den Besitz, Handel und Abgabe an Nichtmitglieder sowie die   samtmortalität beeinflussen (12).
      Weitergabe an Kinder und Jugendliche bzw. für nicht in Verei-
      nen angebautes Cannabis.                             Akute Cannabisintoxikation
      Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis sind für Minderjähri-  Cannabisintoxikationen (ICD-10: F12.0) sind neben Dosis, Fre-
      ge weiterhin verboten. Zurückliegende Verurteilungen, die   quenz und Applikationsform von der individuellen Disposition
      sich ausschließlich auf Handlungen im Zusammenhang mit   des Konsumierenden sowie dem situativen Kontext abhängig.
      Cannabis beziehen und für die künftig keine Strafe mehr vor-  Merkmale sind Euphorie und Enthemmung, Angst oder Agitiert-
      gesehen ist, sollen auf Antrag aus dem Bundeszentralregister   heit, Misstrauen oder paranoide Vorstellungen, verändertes
      gelöscht werden. Laufende Ermittlungs- und Strafverfahren   Zeit erleben, Einschränkungen der Urteilsfähigkeit, Aufmerk-
      zu diesen Handlungen werden eingestellt. In einem weiteren   samkeitsstörung, Verlängerung der Reaktionszeit, akustische,
      Schritt („Säule 2“) sollen in Modellprojekten die gewerbliche   optische oder taktile Illusionen, Halluzinationen, Depersonalisa-
      Produktion und der Vertrieb in lizensierten Fachgeschäften   tion, Derealisation und beeinträchtigte Leistungsfähigkeit (8).
      erprobt und evaluiert werden.
      Inwieweit die zweite Säule des Gesetzes unter einer neuen   Schädlicher Cannabisgebrauch und Cannabisabhängigkeit
      Bundesregierung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Eine   Die Kriterien für schädlichen Cannabisgebrauch (ICD-10:
      Evaluation zu den Auswirkungen der Teillegalisierung liegt   F12.1) und Cannabisabhängigkeit (ICD-10: 12.2) (Infobox 1 und
      derzeit noch nicht vor. Aktuelle Stellungnahmen der Fachge-  2) erfüllen in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen im
      sellschaften  weisen  aber  auf  die  Gefahr  der  Zunahme  des   Alter zwischen 13 und 18 Jahren 1,4 bzw. 0,8 Prozent (13).
      Cannabiskonsums in der Bevölkerung durch einen aggressi-  In der erwachsenen Bevölkerung (18 – 64 Jahre) sind dies 0,5
      ven Vertrieb von Medizinalcannabis in öffentlichkeitswirksa-  Prozent bzw. 0,6 Prozent (14). Die vom Bundesministerium für
      men Kampagnen hin, die, trotz Werbeverbots, auch „Frei-  Gesundheit (BMG) in Auftrag gegebene Studie „Cannabis: Po-
      zeitkonsumierende“ ansprechen und nicht nur jene Patien-  tenzial und Risiken“ (CaPRis) zeigt, dass das Abhängigkeitspo-
      tengruppe,  die  von  Medizinalcannabis  profitieren  könnte   tenzial des Cannabiskonsums für Jugendliche besonders
      (10). Weiterhin wird moniert, dass es die Bundesregierung   hoch ist. Etwa 9 Prozent aller Cannabiskonsumierenden ent-
      trotz vehementer Aufforderung der Fachverbände versäumt   wickeln über die Lebenszeit eine Cannabisabhängigkeit. Diese
      habe, verlässliche Basisdaten vor Inkrafttreten des Gesetzes   Rate beträgt 17 Prozent, wenn der Cannabiskonsum in der
      zu erheben und ein valides und reliables Monitoring-System   Adoleszenz beginnt, bzw. 25 – 50 Prozent, wenn Cannabis in
      bereitzustellen (11).                                der Adoleszenz täglich konsumiert wird (2).

      4. Auswirkungen von Cannabismissbrauch               Cannabisentzugssyndrom
      und -abhängigkeit                                    Das Cannabisentzugssyndrom (ICD-10: F 12.3) tritt nach an-
                                                           dauerndem und regelmäßigem Konsum etwa 10 Stunden
      Cannabiskonsum birgt somatische, psychische und soziale   nach Konsumbeendigung oder -reduktion auf und erstreckt
      Risiken. Zu den organmedizinischen Folgen zählen komatöse   sich über 7 bis 21 Tage, wobei der Höhepunkt der Symptoma-
      Zustände bei Cannabisingestionen (Edibles) durch Kinder, Fol-  tik häufig nach 3 bis 6 Tagen erreicht wird.





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